Leipziger Wochen Teil 2 von 3
wie versprochen, hatten wir also wieder Besuch aus der Kulturmetropole Leipzig. Aus Gründen startete der Köpenicker Stadtstreicher und Onkel mit der Laterne Tobias aber mal ganz anders in den Morgen, denn es gab etwas zu verkünden. Der KunstHofKöpenick e.V. erhielt eine Spende in Höhe von 200,- € und nicht irgendeine Spende, sondern sie resultierte aus einer Verurteilung zu einer Geldstrafe, zahlbar an eine gemeinnützige Organisation. Ja, wir sind gelistet und wenn man also verurteilt wird, darf man aus dieser Liste Vorschläge machen. Eine Garantie ist das nicht, weil der Verurteilte das selbst nicht bestimmen kann, aber…manchmal klappt es. Es folgte der Hinweis, dass das keine direkte Aufforderung dazu ist Straftaten zu begehen, aber…gefreut hat es uns trotzdem! Und da der Hof gut gefüllt und gut gelaunt war, wurde dann auch gleich zusammen endlich mal wieder „Bruder Jakob“ gesungen und das ganz wunderbar, laut, wach und als dreistimmiger Kanon. Was für eine großartige Begrüßung für
Christoph Schenker,
der vor drei Jahren ja schon einmal das Publikum begeisterte. Ich kann mich noch gut erinnern, dass einige vor dem ersten Konzert eher skeptisch waren. „Ein Mensch, nur ein Cello und was ist eine Loopstation?“😉. Tja, ich sag mal so, ich glaube alle die beim letzten Mal da waren, waren es auch diesmal und nach Fotovergleich sogar noch mehr! Und sie sollten nicht enttäuscht werden.
Ephemer
war das erste imposante Stück des Tages und dieser Begriff stammt vom griechischen ephemeros, was „nur einen Tag dauernd“ oder auch „vergänglich“ meint. Es wird auch mit kurzlebig, flüchtig und ohne bleibende Bedeutung übersetzt. Was genau hat das nun mit Christophs Musik zu tun? Abzüglich „ohne bleibende Bedeutung“ sehr viel!
Natürlich sind Stücke, so sie einmal auf Platte gepresst, „fertig“, also sie sind, wie sie sind, aber live ist noch einmal ein ganz anderer Schnack und so müssen sie von Christoph natürlich zuerst von seiner komponierten Variante in ein Setup mit „nur“ sich selbst und der Live-Elektronik übersetzt werden und dann ergeben sich aber auch immer Improvisationsteile. Das liegt in der Natur der Sache und führt dazu, dass ein und dasselbe Stück gespielt in Greiz am Sonnabend, nicht zwangsläufig mit dem am nächsten Tag auf dem KunstHof identisch ist. Das hält die Sache frisch, die Stücke leben weiter und entwickeln sich auch nach ihrer „Fertigstellung“ noch weiter.
Melancholische Hafermilch
soll mir mal als Erklärung dienen, was Christoph so macht, wenn er nicht solo unterwegs ist. Seit über 20 Jahren begleitet er als Musiker die Programme der Leipziger Academixer und so entstehen manchmal Musiken, die das Academixer Programm überleben und von Christoph solo weitergeführt, verändert und ausgearbeitet werden. Die Titel bleiben dann zumeist bestehen. So eben auch Melancholische Hafermilch oder
Unsterbliche Oper
Hätte man diese Einweisung (von Christoph selbst) nicht gehabt, würde sich aber auch von ganz alleine ein Kosmos im Kopf aufmachen. Jeder einzelne Name ist ja nur ein Vorschlag und da bei Instrumentalmusik kein Text das Denken vorgibt, kann ja jeder sowieso selbst gedanklich hingleiten, wohin er oder sie will. Titel können hilfreich sein, vor allem für den Künstler selbst, wie sollte er sonst eine Setlist machen oder eine GEMA Meldung 😉 , aber sie bleiben ein Vorschlag.
Es war jedenfalls spannend, zu beobachten, wie sich unser Publikum, nach dem Konzert, über bestimmte Assoziationen zu dem einem oder Stück austauschte, wie es überhaupt eine Freude war, zu beobachten, wie begeistert unser hochverehrtes Publikum von dieser, nennen wir es Nischenkunst, ist. Und das meine ich nicht abwertend, sondern es ist ja ein Fakt, dass der Großteil der Publikümmer dieser Welt eher bereit ist Musik aufzunehmen, wenn der Text ihnen was darüber erzählt, was sie gerade hören, ihnen quasi die eigene Imagination abnimmt. Und so gesehen ist reine Instrumentalmusik natürlich eine Nischenkunst. Und in diesem Zusammenhang freut es uns als KunstHof eben sehr, wenn wir beobachten, wieviel Wertschätzung und Anerkennung eine solche Musik erfahren kann. WENN sie spannend und einzigartig dargeboten wird. Was ja bei Christoph absolut gegeben ist. Schon bei FeinCost, also Holly Schlott und Reinmar Henschke war in diesem Jahr zu beobachten, dass unser Publikum eben ein ganz Besonderes ist und heute und hier bei Christoph Schenker habt ihr euch in Sachen Aufmerksamkeit und Wertschätzung wieder einmal selbst übertroffen. Nur dadurch ist es übrigens möglich, so eine Programmplanung mit einem permanenten Ritt durch die Genres hinzulegen. Immer wieder Danke dafür, ihr seid einfach großartig!
Dornröschen Yoga
forderte dann sogar einen auf der Dahme schippernden Dampfer zu seinem Signal „Wende über Backbord“ heraus und obwohl die Hörner der hiesigen Dampfer leider immer noch nicht auf Kammerton gestimmt sind, war es gar nicht so schlecht. Also die Position und Länge des Signals passte sich eigentlich ganz gut beim Yoga ein und vor allem war es keine Stelle am leisen Anfang eines entstehenden Loops, das hätte Konsequenzen für das ganze Stück gehabt, nein…der Dornröschen-Loop war quasi vollständig und Christoph jagte gerade seine Finger übers Cello, da erschallte
– ..
Also ich fand`s gut 😉
Irisch verloopt
Wie sich ein Deutscher, (der irischen Musik gar nicht so mag) irische Musik vorstellt, erfuhren wir auch. Und nachdem Christoph in der Einleitung dazu klar machte, dass eben er dieser deutsche ist; der irischen Musik gar nicht so mag, folgte die Strafe der keltischen Götter auf dem Fuße. Ob es Lugh, der Gott der Künste oder die Kriegsgöttin Morrigan war, ist uns nicht bekannt, jedenfalls wurde die Anfangssequenz des Loops empfindlich gestört, so dass Christoph dieses eine Mal den Versuch abbrechen musste. ABER….So ist es eben live und wenn es eines Beweises bedurfte, dass hier nichts vom Band kommt, sondern im Moment entsteht, dann war der Beweis hiermit erbracht und niemand darüber böse! Ich verweise an dieser Stelle (ohne Namen zu nennen) gern darauf, dass es große Bands, um nicht zu sagen WELTBEKANNTE Bands gibt, die Fehler in ihre Playbacks einbauen, um im Stadion den Anschein von live zu erzeugen! Perfide aber wahr, nein…das gibt es bei uns nicht. Hier sind die Fehler noch handgemacht, wie alles auf unserer Bühne!
Neumond
muss ich auch erwähnen, weil Maria Schüritz ja ihr Konzert letzte Woche mit „MOND“ startete und so ließ sich Christoph nicht lumpen und setze eben noch einen drauf. Wenn Mond, dann soll es bei ihm schon ein Neumond sein. So oder so, sphärisch, groovig und virtuos verflog dieser Vormittag bei übrigens wieder bestem Wetter!
Duschen nur mit Testament
Ein wichtiger „Hinweis“ des Künstlers zum Erben, ist zwar auch so ein lustiger Stückname, soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die dargebotene Musik bei aller Unterhaltung eine sehr ernstzunehme ist und die Bandbreite von flockigen Stücken bis hin zu bedrohlichen Sphären über eine Geistin in einem Theater von Toronto reicht. Die
Lavender Lady
einer meiner Favoriten dieses Vormittags. Eingeleitet von einem simplen aber groovigen Mouthbeat bohrt sich eine Cellophrase in den Kopf, gefolgt von einem Basscello, bevor darüber dann noch eine sehr eingängige Melodie folgt. In bester Minimal Tradition kann man sich hier auf den Trip begeben, sich in das Stück fallen lassen, gedanklich durch die Räume schreiten, den Ort erkunden, das Bedrohliche vorahnen…Dann bleibt plötzlich nur noch der Beat stehen, eine kurze Improvisation folgt, bevor alles wieder hochfährt, um wenig später ganz zu verschwinden, den Platz freizumachen für sphärisches Wandeln der Lavender Lady. Ein Schichtsalat aus hohen Cellotönen. Sie schwebt durch den Raum, ätherisch und anmutig und wenn man so richtig im Wirbel festhängt, kommen alle Elemente wieder zusammen für ein grandioses Finale. Großartig!
Windmühlen
Läuteten dann das Ende des Vormittags ein. Falls Windmühlen überhaupt läuten können. Der Onkel mit der Laterne Tobias enterte die Bühne, natürlich wie immer für die Erklärung unseres Systems des „Einer-trage-des-anderen-Last“, verbunden mit einem Tipp zum (Ver)Erben. Da kann er ja nix dafür, wenn das bei Christoph n Thema ist. 😉 So gab es also noch kurz den Hinweis, dass bei uns im Osten sowieso fast nix vererbt wird und man nach dem „Duschen nur mit Testament“ in selbigen auch gleich den KunstHof begünstigen könne, wie auch (und da schließt sich der Kreis) nach einer Verurteilung. Das Leben kann so einfach sein.
Neben denen in unserem Publikum die gar nichts zahlen sollen im Sinne der kulturellen Teilhabe, gab es aber auch wieder viele die etwas geben konnten, einige die etwas mehr geben wollten und stellvertretend für unsere reichen Mitbürger mit sozialem Gewissen musste diesmal unser lieber Freund Wolfgang Martin als Vorbild herhalten, der ja im Garten seine Melonen zählt. Danke Wölfi dafür und für Deinen Humor! Und für alle die es noch nicht wissen, das ganze KunstHof-Team, also ALLE machen das ausschließlich ehrenamtlich und somit geht abzüglich der GEMA Gebühr wirklich alles an die jeweilig anwesenden Künstlerinnen und Künstler. Wie wir ja erfuhren, ist es zum Beispiel seit J.S.Bach für in Leipzig wohnende Künstler Vorschrift mindestens 13 Kinder zu haben. Christoph hat erst rund die Hälfte geschafft, die aber auch versorgt werden wollen! Und insgesamt haben die Künstler in Leipzig noch Glück, dass gar nicht alle Kinder von Bach für diese Vorschrift gezählt wurden. Mit seiner ersten Frau hatte er auch nochmal 7, also insgesamt um die 20! Damit das mit der Sammlung für Christophs aktuelle und zukünftige Kinder und nebenbei sehr sehr teure Cellosaiten auch gut ausgeht, kam wieder einmal unsere „erste Generation Sammelkind“, also ANNA und WILMA zum Einsatz. Längst schon keine Kinder mehr, sind sie trotzdem gerne bei uns und helfen mit. Danke ihr beiden tollen Mädchen! Alles
Paletti
sozusagen. Nach dem letzten Stück und der absehbar lautstark eingeforderten Zugabe ging es nach einigen Gesprächen mit dem Publikum für Christoph zurück nach Leipzig zum „Mäulerstopfen“. Für das Team, natürlich wieder mit dem „Kurzen Applaus“ bedacht, ging es an den Rückbau des Hofes und achtet mal auf die heutigen Fotos. Nina und Katja waren die letzten, die den Hof verließen, aber Nina musste vorher noch ihre Tasche befreien, die hinterhältiger Weise zusammen mit dem Mobiliar angekettet wurde. Na sowas 😉
Wir sagen DANKE CHRISTOPH, für ein großartiges Konzert, Danke Lieblings-Team, Danke Petrus für die wunderbare Sonne, bitte weiter so bis Mitte Oktober, wenigstens an den Sonntagen! Immer wieder Danke unserem tollen Publikum und Danke auch dem Tourismusverein für das Zusammentragen der Informationen zu den aktuellen Sperrungen, Umleitungen und Ersatzverkehren, immer zu finden HIER:
Nach dem Rückbau des Hofes und der Befreiung der Tasche saßen wir wieder gemeinsam in der Grünstraße und ließen uns bei Gesprächen, Speis und Trank von der Sonne bescheinen, bis sie unterging. Was nachts noch folgen sollte und in einer Reihe zu MOND (letzten Sonntag) und NEUMOND (diesen Sonntag) nur logisch scheint war der
BLUTMOND und seine komplette Finsternis.
Das Leben ist schön!!!
Gez. Plisch
NÄCHSTEN SONNTAG folgt:
Après Church, die nachbarschaftliche verbindende Veranstaltungsreihe zum Erleben von Kultur bei Kaffee, Wein, Bier oder alkoholfreien Getränken
Jeden Sonntag 11.30Uhr bis 13.00Uhr auf dem KunstHofKöpenick
– Alt Köpenick 12 – Einlass 11Uhr – EINTRITT FREI –
HÖRT IHR DIE GLOCKEN, MACHT EUCH AUF DIE SOCKEN!
Alle Konzertberichte des Jahres zum Nachlesen findet ihr auf unserer Website unter dem Reiter APRÈS CHURCH – Alle Konzertberichte
https://kunsthofkoepenick.eu/category/allgemein/
Fotos: Norbert Milzow

 
	 
											


























 
			 
			 
			 
			 
			 
			 
			 
			