Als der Regen niederging
war es definitiv nicht Sonntag, nicht zwischen 11.30Uhr und 13Uhr und es war definitiv nicht auf dem KunstHofKöpenick. Denn auch diesen Sonntag schien uns die Sonne so wunderbar, dass es eine Freude war. Und nicht nur uns. Natürlich war der Hof wieder bis hinunter auf die Wiese gut besucht, um nicht zu sagen: proppenvoll. Aber wenn sich besondere Gäste auf unserer Bühne ankündigen, dann kommen zusätzlich zu unserem treuen Stammpublikum, also euch, auch noch weitere illustre Gäste, in Fachkreisen auch „die Musikerpolizei“ genannt und von jedem Künstler gefürchtet. Aber zu uns auf den KunstHof kommen sie nicht wie Waldorf und Statler zum Meckern und Motzen, sondern wirklich aus Verbundenheit und um Freunde zu besuchen. Es gibt ja sowieso keine Gästeliste bei freiem Eintritt ☺ Und so tummelten sich unter uns zum wiederholten Male unsere gern gesehenen Köpenicker Künstler: Werther Lohse (LIFT), Petra Zieger und Peter Taudte, Henning Protzmann (Panta Rhei) und natürlich auch Dirk Zöllner. Zwar nicht aus Köpenick, aber auch nicht zum ersten Mal bei uns, war auch Tatjana Meissner mal wieder da.
Reichtum der Welt
war nämlich angesagt. WOLFGANG MARTIN und MANUEL SCHMID. Und nicht nur das, sondern die großartige musikalische Lesung „Sagte mal ein Dichter“ fand zum allerletzten Mal statt und der KunstHofKöpenick fühlt sich sehr geehrt, dass unsere Freunde Wölfi und Manuel den Gedanken mitgegangen sind, dieses Event letztmalig eben bei uns und nicht woanders stattfinden zu lassen!
Zuweilen kommt es vor
dass Wolfgang Martin eine Biografie schreibt. Aber wirklich nur, wenn er einen persönlichen Bezug zum Thema hat. Der Musikjournalist, der früher bei Stimme der DDR und dann auch bei DT64 aktiv war, hat natürlich die Musikgeschichte seit den 60er Jahren aufgesaugt und mitgelebt und so entstammen seiner Feder sehr informative und unterhaltsame Bücher über „Maschine”, „Tamara Danz” und eben „Holger Biege” und zu allen genannten Künstlern hatte, oder wie im Fall von Maschine, hat Wolfgang Martin einen persönlichen Kontakt und Bezug. Nicht vergessen möchte ich die beiden nicht minder großartigen Bücher „Wie die Westmusik ins Ostradio kam” und sein neuestes Werk „Schluss mit dem YEAH, YEAH, YEAH”.
Heute aber ging es um Holger Biege, schließlich wäre dieser am 19. September 72 Jahre alt geworden und wenn wir das schon leider nicht mehr mit ihm feiern können, dann können wir doch den Künstler selbst feiern. Gesagt, getan.
Deine Liebe und mein Lied
Ja, Wolfgangs Liebe zu Holger Biege hört man in jeder geschriebenen Zeile, in jedem geführten Interview mit Freunden, Wegbegleitern, Kollegen und natürlich mit Holgers Bruder Gerd Christian (Biege), Holgers großem Bruder, der viel über die gemeinsame Kindheit in Greifswald, aber auch über den musikalischen Weg beider zu berichten hatte. Nicht von ungefähr stammt der große Hit von Gerd Christian „Sag ihr auch“ aus der kompositorischen Feder von Holger Biege. Holger, der zarte in sich gekehrte kleine Junge, der immer schon anders war. Holger, der mehrfache Studienabbrecher, der eben trotzdem oder vielleicht gerade deshalb seinen Weg fand. Holger, der außerhalb der Musik immer ein großes Interesse für Astronomie und Physik hatte. Holger, der Dickkopf, der er irgendwie immer blieb. Deine Liebe und Bewunderung also Wolfgang – neben allen Zeilen, wie hätte man sie auf der Bühne besser umsetzen können, als eben mit Deinen und unseren Freund Manuel Schmid! Denn auch Manuel ist eben nicht nur ein großartiger Sänger und Musiker, sondern von Jugend an infiziert von Holgers Werk. Manuel hörte als 14-Jähriger die Schallplatte
Wenn der Abend kommt
eher zufällig. Sie stand im Schrank seiner Tante und seines Onkels. Von da an gab es kein Zurück mehr. Er studierte und analysierte das gesamte Werk Bieges, er wollte dem auf die Spur kommen, wie es möglich ist, dass Musik so berühren kann. Und so gesehen, ist Holger Biege also die Initialzündung für Manuels weiteren Weg der ja unter anderem dazu führte, dass er seit inzwischen 12 Jahren der Sänger der Stern-Combo Meißen ist, eigene Lieder schreibt und so Klavier spielt, wie er es spielt.
Wir alle wissen inzwischen längst, was Manuel kann, aber in dieser musikalischen Lesung gingen wir also nicht lediglich nur Holger Bieges Weg, nein, wir hörten gleichsam auf den Spuren der musikalischen Entwicklung von Manuel ganz meisterhaft gespielte und gesungene Lieder aus dem großartigen Fundus oder sollten wir bei Holger Biege lieber sagen, aus dem Schaffenskosmos dieses großartigen Komponisten. So einige Tränen wurden auf dem KunstHof verdrückt, hätte ich fast gesagt, nein, sie wurden eben nicht verdrückt. Zwischen launigen Geschichten und Anekdoten gingen die Interpretationen von Manuel direkt ins Herz. Treffer- Versenkt. Einfach großartig.
Meine Hände
um nur ein Beispiel zu nennen. Ein großartiges Lied, was es seinerzeit (aus Gründen) nicht auf eine AMIGA LP schaffte, oder
Frag mich nicht
einer Perle aus dem Nachlass, wo noch so viele Fragmente schlummerten und schlummern, die der Perfektionist Holger Biege nicht zu Ende gestellt, verworfen, wieder aufgenommen und wieder verworfen hat oder welche er leider nicht mehr selbst zur Aufführung bringen konnte nach seinem Schlaganfall.
Will alles wagen
könnte als Überschrift über dem Leben von Holger Biege stehen. Kompromisse waren seine Sache nicht. Davon gab es auch einiges zu berichten. Einen Rechtsstreit um eine geklaute Melodie z.B., den er in erster Instanz gewann, in zweiter Instanz aber den angebotenen Vergleich und damit viel Geld ausschlug. Recht so, sagt man sich und gleichzeitig stellt man sich auch die Frage, wie viele in vergleichbarer Situation eben genauso handeln würden? Die meisten Künstler, auch ein Holger Biege, sind nicht so gut abgefedert, dass sie es sich wirklich leisten könnten, ein solches Angebot auszuschlagen und dennoch gibt es welche, die sich nicht so einfach kaufen lassen. Das verdient Respekt und muss eben deshalb auch erzählt werden. Wie auch seine Kompositionen weitergegeben werden müssen.
Zuweilen kommt es vor
dass es jemanden gibt, der im Stande ist, ein musikalisches Erbe wirklich angemessen weiterzutragen.
Manuel Schmid ist ein solcher und mit Sicherheit der beste Holger Biege seit Holger Biege.
Es gab niemanden im Publikum, der das in Frage stellen würde. Und viele von uns haben Holger Biege ja zum Glück noch selbst erlebt. Und so war nicht nur das Publikum berührt, auch Wölfis Stimme brach bei der Danksagung für Manuel und dem Sich-bewusst-machen, dass diese gemeinsame Reise nun mit dem heutigen Tag wirklich enden würde. Zum Glück nicht die gemeinsame Arbeit, haben die beiden doch noch andere Programme und zum Glück auch nicht die musikalische Pflege des Erbes, denn Manuel spielt die Biege Lieder auch in seinen Solo Programmen. Danke dafür!
Bleib doch
wollte man da rufen, aber ihr wisst was nun kommt…Unseren Vormittagen mit euch sind Grenzen gesetzt und so musste auch dieser wunderbare Tag mit Freunden ein Ende finden durch die Unterbrechung des Programms. Wie immer durch den Onkel mit der Laterne Tobias, der nicht müde wird, jede Woche zu erklären, was den KunstHofKöpenick auszeichnet und wie wir alle ihn zu dem machen, was er hoffentlich noch lange bleibt. Wir alle, das meint: das großartige Team, wieder bedacht mit unserem „kurzen Applaus“, unsere Sammel“kinder“ des Tages Anna, die auch wieder den Merchstand betreute und Hannes, der auch beim Auf und Abbau der Bühne behilflich war. Danke ihr beiden! Wir alle meint natürlich auch immer das großartige Publikum, ohne euch wäre das alles nicht möglich und natürlich meint „wir alle“ unsere großartigen Künstler, heute also Wolfgang Martin und Manuel Schmid. Das war ein sehr bewegender Ritt durch ein bewegtes Leben – das Leben von Holger Biege, ohne den (und das wollen wir nicht vergessen) dieser Vormittag so auch nicht stattgefunden hätte. Wie gut, dass es ihn gab und was ein Segen, dass seine Lieder bleiben“
Dein Gesicht
war die würdige Zugabe des Tages und hier holte Manuel kurzerhand Dirk Zöllner auf die Bühne und beide sangen dieses Lied gemeinsam. Danke Dirk für die Spontanität. So endete das Programm mit einer Verbeugung zweier großartiger Sänger vor einem ganz Großen.
Zwischen den Zeilen
und auch ganz offen hallte das Erlebte in den Gesprächen nach. Erst noch auf dem Hof und dann beim gemeinschaftlichen Ausklang bis zum Sonnenuntergang in der Grünstraße.
Zugvögel
machen sich nun bald schon wieder auf die Reise, aber 3 Sonntage sehen wir uns noch auf dem KunstHofKöpenick. Wie wäre es z.B. nächsten Sonntag zum Après Church mit Franziska Günther!
Gez. Plisch
Après Church, die nachbarschaftliche verbindende Veranstaltungsreihe zum Erleben von Kultur bei Kaffee, Wein, Bier oder alkoholfreien Getränken.
Jeden Sonntag 11.30Uhr bis 13.00Uhr auf dem KunstHofKöpenick.
HÖRT IHR DIE GLOCKEN, MACHT EUCH AUF DIE SOCKEN!
Alt Köpenick 12 – Einlass ab 11Uhr – EINTRITT FREI –
Alle Konzertberichte des Jahres zum Nachlesen findet ihr auf unserer Website unter dem Reiter APRÈS CHURCH – Alle Konzertberichte
https://kunsthofkoepenick.eu/category/allgemein/
Fotos: Dietmar Marquardt, Norbert Milzow