Es ist ja nun schon seit Jahren so, dass sich der KunstHofKöpenick gerne bei der Leipziger Musikszene bedient, die im Moment das Gleiche durchmacht wie der ehemalige Kiez vom Köpenicker Stadtstreicher, also der Prenzlauer Berg. Auch das war einmal ein Schmelztiegel der Kultur und der Subkultur. Künstler aller Couleur fanden dort preiswerten Wohnraum, Ateliers, und Probenräume in besetzten Häusern, aber auch ganz legal. Die Bars und Clubs schossen aus dem Boden, es war bunt und laut und lebenswert und die Nächte waren länger als die Tage. Das zog dann über die Jahre Menschen an, die zwar selbst keine Künstler waren, sich aber mit ihnen und ihrem Kiez schmücken wollten, es einfach cool fanden, dort zu leben. Bis sie anfingen sich zu vermehren und sich bei ihnen die Meinung bildete, dass es dann doch zu laut und zu bunt für ihren Nachwuchs wäre. Die Clubs und Bars wurden weggeklagt, die letzten besetzten Häuser geräumt, die Mietpreise stiegen ins Unermessliche und die Kulturarbeiter begannen sich über Berlin oder ins Umland zu verteilen. Das Gleiche gilt für Mitte und den Friedrichshain. Der Eimer, das Tacheles, die Schönhauser 5, der Knaack…längst Geschichte, wie so vieles. Und genau das eben passiert gerade in Leipzig, wo sich in den letzten Jahren eine großartige kulturelle Szene gebildet hat, aus der wir gerne schöpfen.
Maria Schüritz
zum Beispiel, in Leipzig geboren und fester Bestandteil dieser bunten Szene, aber auch kreuz und quer durch das Land unterwegs mit ihren Liedern und Geschichten und nun also endlich auch einmal bei uns in Köpenick. Mit der Bahn war sie unterwegs und wir alle gespannt, ob das wohl gut geht 😉. Ging es, nur eine kleine Verzögerung, das machte aber gar nichts, denn Tobias und Anna mussten sowieso ein kleines technisches Problem aus dem Weg räumen. Und als das erledigt war, schnippte auch schon Maria auf den Hof und fühlte sich gleich wie zu Hause. Erst mal ein Kaffee, dann der Soundcheck, n paar Schnittchen, bühnenfertig machen, die Fotos mit Norbert, Einlass und schon konnte es beginnen. Diesmal ohne Kanon oder KunstHof Lied – – – aus Gründen. Schon zum zweiten Mal in diesem Sommer fiel der Geburtstag eines KunstHof Mitglieds punktgenau auf einen Sonntag und somit stimmten wir alle gemeinsam ein Geburtstagslied für Randolf an. Danke Randolf für Deine großartige Arbeit für den Verein! Und die vielen anderen guten Taten. Kältehilfe zum Beispiel, um mal was rauszupicken! Und das mit Hertha sehen wir, in der Mehrzahl Rot Weißen, Dir gerne nach…Bei uns auf dem Hof gilt der Minderheitenschutz, auch für Blau Weiße! 😉
Mond
So startet Maria gern ihre Konzerte und bei Lichte betrachtet, war der Mond ja auch noch gar nicht so lange weg. Die frühe Stunde ist für alle unsere Künstlerinnen und Künstler eine Herausforderung und auch das Spielen (dürfen) eines 90min Konzertes OHNE Bewirtungsunterbrechung ist ansonsten gar nicht mehr so üblich, also diese zwei Alleinstellungsmerkmale hat der KunstHof auf jeden Fall, aber mir fallen noch mehr ein. Zum Beispiel das ehrenamtliche Team, was jeden Sonntag 9Uhr mit guter Laune und sichtbarer Freude zur unbezahlten Arbeit und zur eigenen
Horizont
– Erweiterung vor dem Tor steht und mit den Hufen scharrt. Apropos Horizont, bei diesem Lied kam dann auch die Loopstation zum ersten Mal zum Einsatz, deren Benutzung ein wichtiges Element in Marias Darbietungen ist. Vor ein paar Jahren noch, erinnre ich mich, war das für unser Publikum recht neu und erntete verwunderte Blicke. Inzwischen ist es so, dass das technische Gerät an sich allseits bekannt ist und man muss als Künstlerin die Loopstation schon bedienen können und einzusetzen wissen, um das Publikum zu fesseln. Der reine Effekt alleine reicht da nicht mehr aus. Und Maria kann! Wirklich sehr gekonnt spielt sie mit Rhythmen, also Mouthbeat oder klatschen, aber auch mit dem Aufschichten ihrer Gesangstimme oder des Kazoo. Das macht sie selbst zu einer Ein-Frau-Kapelle, die dadurch mühelos ihre Lieder abwechslungsreich gestalten kann. Die charmante Moderation des Programms kommt on top und so erfährt man nicht nur in den Liedern selbst, sondern dazwischen viel über Maria selbst und das Leben um sie herum.
DDR
zum Beispiel. Maria selbst war gerade so im Kindergarten als die DDR verschwand und trotzdem ist sie natürlich durch das Umfeld, durch die Familie, den Geburtsort noch geprägt von einem Land, was sie selbst nie kennengelernt hat. Warum also nicht in einem Lied fragen „Was war das nur für`n Land“? Toller und cleverer Moove dafür verschiedenste Leute im Umfeld und auf Konzerten dazu zu befragen und die gesammelten Ergebnisse dann in ein Lied zu packen!
Musikerinnen
ist ein weiteres Beispiel für Marias Art sich mit Vergangenheit auseinanderzusetzen. Engagierte Frauen zur Wendezeit, ein gemeinsames Projekt mit Ingeborg Freytag inspirierte Maria zu diesem Lied über eben jene Frauen in der Musik, die es gab und zum Glück teilweise noch aktiv gibt. Viele unserer Freundinnen des KunstHofKöpenick kommen darin vor und das zauberte dem Einen und der Anderen ein Lächeln ins Gesicht. Ich erwähne hier mal ein paar Frauen aus diesem Lied, die schon für den KunstHof aktiv waren. Pascal von Wroblewsky, Uschi Brüning und Tina Powileit. Angelika Mann und Regine Dobberschütz haben zwar noch nicht bei uns gesungen, sind uns aber durchaus freundschaftlich verbunden und werden ab und zu gesichtet, Tamara Danz hat den KunstHof leider nicht mehr kennengelernt, aber Wolfgang Martin und Manuel Schmid haben sie mit einem Programm bei uns geehrt und sie bleibt unvergessen. Applaus für euch großen Frauen und Applaus für diesen Text über sie! Aber nicht, dass hier ein falscher Eindruck entsteht. Maria lebt nicht in der Vergangenheit, das beweisen Lieder wie
Laminat
und
Ambivalent
welche sehr im Heute sind und bei denen Maria sehr bei sich ist. Wie es überhaupt so scheint, als wäre Maria sehr reflektiert und bei sich. Ich kann mich natürlich täuschen, aber die Uhrzeit, das Licht und die familiäre Nähe auf dem KunstHof bietet den eingeladenen Künstlern eben nicht die Möglichkeit eines dunklen Bühnenraums inklusive abgeschottetem Backstagebereichs, wo die Maske fallen kann, die man auf der Bühne trägt. Und nicht einmal ein kurzes Wegdrehen vom Publikum funktioniert, weil ja neben und hinter der Bühne auch Menschen lauschen und gucken. Deshalb achten wir ja schon in der Auswahl der Künstlerinnen sehr darauf, dass es passen KÖNNTE. Und Maria passt!
Durchaus nicht alles was künstlerisch hervorragend ist, wird auch auf dem KunstHof funktionieren. Denn es ist ein ganz spezielles
Zauberland
unser Kleinod in der Altstadt zu Köpenick und „Zauberland“ von Rio war dann auch das einzige von Maria dargebotene Lied, welches nicht aus ihrer eigenen Feder stammte. Ganz wunderbar macht sie dieses Lied aber zu ihrem Eigenen. Tolle Interpretation!
Einige der schönsten deutschsprachigen Liebeslieder stammen von Rio. Neben „Zauberland“ natürlich „Junimond“, oder „Für immer und Dich“ und doch kann man Rio Songs nicht spielen, ohne ihn als politischen Kopf mitzudenken. Etwas von seiner Haltung schwingt immer mit und so ist es für Maria der Gedanke, dass die Idee von Europa auf dem Spiel steht. Auch Rio wollte Zeit seines Lebens die
Welt reparieren
Eine zu große Aufgabe an der man nur Scheitern kann, aber wenn man es n Tacken kleiner denkt, kann eben Jeder und Jede an seinem Ort an seinem Platz ein kleines Zauberland schaffen. Eine Beziehung kann ein Zauberland sein, eine Familie, ein Freundeskreis, ein KunstHof – – und viele kleine Zauberländer können die Welt dann eben doch besser machen. Und so fährt Maria auch von Ort zu Ort, um ihre Lieder und ihre Ideen und die von Rio, oder (siehe „Musikerinnen“) Tamara am Leben zu halten, weiterzutragen. Sie malt dabei mit Tönen, mit Klängen und das ist wörtlich zu nehmen, ja, sie lässt sich durchaus hier und da von Gemälden zu ihren Liedern inspirieren. Darüber gab es nach dem Konzert ein kurzes Gespräch mit Olga von der „Neue Philharmonie Frankfurt“, die erzählte, dass eine Freundin von ihr es genau anders herum macht. Diese ist nämlich Malerin und malt nach Musik. Da fällt mir wieder der erste Absatz ein und wie wichtig es eigentlich ist, dass es (sub)kulturelle Zentren gibt, wo Künstler aller Art miteinander in Kontakt kommen und sich die Künste gegenseitig beeinflussen können. Und wer sich jetzt fragt, wieso Olga aus Frankfurt/Main auf dem KunstHof war…Nun ja, sie und ihr Mann Ralf waren seit Freitag bei Katja, Anna und Tobias zu Gast, weil die NPF Sonnabend zum Klassik-Open-Air im Britzer Garten spielte. Eine gute Möglichkeit also dem KunstHof wieder einmal einen Besuch abzustatten und eine gute Möglichkeit für uns auf unser diesjähriges ADVENTSKONZERT hinzuweisen. Ralf ist nämlich nicht nur der Konzertmeister der NPF, sondern wird gemeinsam mit 2 Mitstreitern zum 1. Advent in der Friedenskirche das Programm „Wie soll ich Dich empfangen“ darbieten…so viel Werbung muss sein, es gibt ja schließlich auch schon Lebkuchen! Und nicht vergessen, nur wer zum Adventskonzert kommt, erhält druckfrisch das schon feststehende Jahresprogramm für 2026. Das Internet erfährt dieses erst im nächsten Jahr 😉
Perlentanz
läutete dann langsam schon das Ende des Vormittags ein. Der Onkel mit der Laterne Tobias enterte die Bühne, natürlich wie immer mit dem Hinweis auf unser System des „Einer-trage-des-anderen-Last“. Stellvertretend für alle reichen Mitbürger unter uns wurde heute Stefan auserkoren, der laut seines T-Shirts 92% Anteile an Knorr-Bremse hält, danke Stefan, guter Mann! Unsere Geldsammelkinder der 2. Generation Sofia und Frida waren heute wieder einmal da und machten das wie immer ganz wunderbar. Danke ihre lieben Mäuse! Weil in einem Lied von Maria die apokalyptischen Reiter auftauchten, bot der Onkel mit der Laterne als Kompott auch noch eines seiner Lieblingsgedichte dar.
Es ist von Robert Gernhardt und heißt „Deutung eines allegorischen Gemäldes“ Schlagt das mal nach, es lohnt sich 😉
Nach einem AbschlussLied und zwei Zugaben sagte Maria dann
DANKE
und wir sagen das auch. Danke Maria für einen wunderbaren Vormittag mit Dir, Danke liebes Publikum für eure Treue und eure Aufmerksamkeit. Danke Petrus für inzwischen wieder stabile Verhältnisse zu den Konzerten und Danke dem ganzen Team. Immer wieder. Danke auch dem Tourismusverein für das Zusammentragen der Informationen zu den aktuellen Sperrungen, Umleitungen und Ersatzverkehren, immer zu finden HIER
Während das Team den Hof zurückbaute, machte sich Maria wieder auf den Weg nach Leipzig zu ihrer 98jährigen Oma. Eigentlich wäre sie gerne noch etwas geblieben in unserem Zauberland, aber eine Verabredung mit der Oma geht vor. Das ist klar! Und auch das Team konnte heute gar nicht so lange wie sonst zusammensitzen, weil sich verschiedene Termine an diesem Tag kreuzten. So endete dieser Sonntag anders als alle anderen in diesem Jahr und trotzdem, es bleibt dabei:
Das Leben ist schön!!!
NÄCHSTEN SONNTAG – GEHT ES WEITER mit Teil 2 von 3 der „Leipziger Wochen“
Gez. Plisch
Après Church, die nachbarschaftliche verbindende Veranstaltungsreihe zum Erleben von Kultur bei Kaffee, Wein, Bier oder alkoholfreien Getränken
Jeden Sonntag 11.30Uhr bis 13.00Uhr auf dem KunstHofKöpenick
– Alt Köpenick 12 – Einlass 11Uhr – EINTRITT FREI –
HÖRT IHR DIE GLOCKEN, MACHT EUCH AUF DIE SOCKEN!
Alle Konzertberichte des Jahres zum Nachlesen findet ihr auf unserer Website unter dem Reiter APRÈS CHURCH – Alle Konzertberichte
https://kunsthofkoepenick.eu/category/allgemein/
Fotos: Norbert Milzow