Da wäre ja zuerst einmal der Name zu klären, sind sie doch ein Duo und ein Pippo steht gar nicht auf der Bühne. Stattdessen Lutz Wolf mit seinem Flügelhorn und Pier Paolo Bertoli am Akkordeon. Beide moderieren und singen auch, aber bleiben wir mal beim Bandnamen.
Nun ist es ja unschwer zu erraten, dass Pier Paolo Bertoli Italiener ist. Lutz Wolf hingegen, waschechter Vogtländer, der nach dem Studium in Berlin hängegeblieben ist, hat eine große Affinität zu Italien. Wie so viele deutsche Musiker, Maler oder Schriftsteller vor ihm auch. Z.B. eben unser aller oller Goethe, also der Johann Wolfgang VON Goethe, um es genau zu nehmen. Freiherr, Regierungsrat und eben…Italien-Reisender. Um aber weitgehend unerkannt und ohne Entourage durch Italien reisen zu können, benutzte er den Namen Filippo Miller und gab sich als Maler aus. Malerisch ist auch der Umgang mit den Tönen bei Lutz und Pier Paolo und so gaben die beiden sich also diesen Namen, als Verbeugung vor Goethe und vor Italien. Allerdings in der italienischen Kurzform des Namens Filippo, also Pippo. PIPPO MILLER so hieß auch der erste Song und somit der Start in unseren Après Church-Sonntag. Und nein, es geht eben nicht nur italienisch zu bei den beiden Muschkanten, denn dieser erste Song war Reggae basiert und weil Reggae „Inselmusik” ist und unsere schöne Altstadt auch eine Insel ist, war das doch schon mal ein passender Auftakt.
The Mexican Hip Dance
folgte auf dem Fuße und so flogen wir also von Jamaica rüber nach Mexico. Innovativ und Einzigartig schrieben wir ja in der Konzertankündigung. Abwechslungsreich und überraschend hätten wir eigentlich auch noch ankündigen können. Wissen wir jetzt fürs nächste Mal ☺
Una Briscola in tre
Nun aber wirklich Italien, eine Komposition von Pier Paolo. Ein sehr schönes Stück, verbunden mit einer echten KunstHofKöpenick-Botschaft. Briscola ist ein italienisches Kartenspiel, bei dem immer reihum eine Karte aus einem Stapel gezogen wird und welches als Metapher für dieses Stück Musik dient. Geht es doch darum, sich immer wieder klar zu machen, dass es eben sehr sehr viele Menschen gibt, die von Geburt an die falsche Karte gezogen haben, während das Leben für uns, ohne dass wir etwas dafürkönnten, einen ganzen Stapel verschiedener Karten bereithält. Mal gute und mal schlechtere, aber im weltweiten Vergleich gesehen, haben wir Möglichkeiten, von denen andere nur träumen können. Die Freiheit zur Selbstbestimmung zum Beispiel, die Freiheit in Rede und Schrift…Und nein…das heißt nicht, dass wir nicht wissen, dass es auch bei uns Menschen gibt, denen es nicht gut geht. Das betonen wir ja immer wieder. Deshalb gibt es ja keine Bezahlschranke auf dem KunstHof! Auf diese Menschen müssen wir mehr achten, sie mitnehmen und für sie MUSS mehr getan werden. Aber wir alle als Gesellschaft müssen daran mittun und es auch einfordern und sollten insgesamt für unser Leben ein wenig dankbarer sein und hin und wieder mal über den Tellerrand schauen. Danke Pier Paolo an dieser Stelle für Komposition, Text und Gesang.
All my loving
Und dann wurde es mit „Chorinho ao Luar “ brasilianisch. Bietet sich ja auch an bei dieser Instrumentierung, aber da Lutz eine tiefe Liebe zu den Beatles empfindet, kamen wir anschließend auch in den Genuss von „All my loving”…Vom schnellen Samba quasi zum getragenen Beat und hier sang Lutz dann erstmals. Wie es überhaupt sehr gut zwischen den beiden abgestimmt ist, die sich in Moderation und Gesang abwechseln, während manche Lieder aber durchaus ganz ohne Worte auskommen, wie
Alle Neune – Ein Walzer für Roxana
Denn seine Liebe zu den Beatles ist zwar die ältere, aber die Liebe zu seiner Frau ist natürlich die tiefere und führte dazu, dass Lutz einst diesen Walzer für seine Frau schrieb. Das passiert durchaus öfter in der Musikgeschichte und zumeist ist es dann so, dass das Lied bleibt, aber die Beziehung längst gegangen ist. Nicht in diesem Fall. Das Lied ist noch da und der Ring ist noch dran, wie Lutz anmerkte. Am Lied alleine liegt sowas aber nicht, also das nur mal so als Hinweis für alle die, die jetzt überlegen, ihrer Liebsten oder ihrem Liebsten ein Lied zu schreiben. Kann helfen…muss aber nicht ☺
Golden Brown
Da gab es doch einmal eine PunkBand, die, wie es sich gehört, ohne viel Akkorde und Schnickschnack gepflegt vor sich hin und durch England schrammelte, bis der Keyboarder eines Tages eine Songidee anschleppte, die mehr als drei Akkorde beinhaltete und sogar einen (gewollten) Rhythmuswechsel. Und siehe da, Golden Brown wurde DER HIT von „The Stranglers“, die aber von da an natürlich damit zu kämpfen hatten, dass alle Welt von ihnen Musik a la Golden Brown erwartete. Shit happens…
Funfact am Rande
Weil es gerade so gut passt. Auch unser Onkel mit der Laterne und Köpenicker Stadtstreicher Tobias spielte ja in grauer Vorzeit als b.deutung in einer (Folk)Punk Band. Und so erzählte Lutz, dass er und Tobias vor mittlerweile 32 Jahren schon einmal gemeinsam auf der Bühne standen. Das bemerkten die zwei aber auch erst kurz vor dem Pippo Miller Konzert im Gespräch, weil das ja die Jahre betrifft, in welchen für Tobias vieles in einem Nebel des Vergessens verschwunden ist. Von Zeit zu Zeit aber taucht dann eben wieder etwas auf und man erinnert sich dann doch an einen Bläsersatz zu mehreren Songs während eines Konzerts der Inchtabokatables in der Kulturbrauerei zu Berlin, wo Lutz Trompete spielte. Und heute nun mischte also der vernebelte PunkCellist von damals ziemlich nüchtern den Sound für PIPPO MILLER. Sachen gibt’s…
Übermorgen
ist Freitag, weil ja am Mittwoch immer unser Konzertbericht erscheint, aber Übermorgen ist auch Mittwoch, weil ich diesen Konzertbericht ja gerade jetzt gerade am Montag verfasse, aber am Freitag, was ja wie gesagt, für euch übermorgen ist, wird übermorgen schon Sonntag sein, wo wir uns alle wieder zum Après Church auf dem KunstHof wiedersehen.
So ist eben alles relativ, auch und gerade alles was mit Zeit zu tun hat. Das ist ja bekannt.
Und Übermorgen ist eben auch ein Song von Pippo Miller, der zu Gehör gebracht wurde. Gewürzt mit einer dieser feinen Geschichten zur Entstehung. In diesem Fall zu einem Workshop an der Musikhochschule zum Thema „Wie werde ich ein Popstar“. Ein HipHop ohne Rap, aber mit der Aufforderung bei Bedarf doch gerne die Bühne zu entern und zu rappen. Aber, obwohl wir Marek Bauer eindringlich baten, war er nicht bereit diesen Part zu übernehmen. Dafür setzte an dieser Stelle ein 10-Minütiger Regenschauer ein. War das etwa die Rap Einlage von Petrus, der uns sonst ja so mit Sonne verwöhnt an den Sonntagen? Man weiß es nicht, aber unser Publikum blieb standhaft, eisern quasi. Unter großen und kleinen Schirmen und unter unseren Pavillons wurde dem Schauer getrotzt und daher geht hier mal so zwischendurch ein großer Dank an euch raus. Ihr seid wirklich das beste Publikum der Welt, wie uns ja einige Bands auch schon rückkoppelten.
Mauersegler
Der Geschichten gab es, wie gesagt viele, auch über Musikstücke, die wie zugelaufene Katzen, einfach irgendwann da sind und einen fortan durchs Leben begleiten oder eben das Lied über Mauersegler, was Pier Paolo für einen Menschen aus seinem Leben schrieb, der sehr gerne den Mauerseglern zusah und der nun nicht mehr da ist. Der eine oder die andere von uns hatte bei diesem Lied auch Gedanken frei für von uns gegangene.
– – – – – – Bewegend! – – – – –
Das wäre vielleicht an dieser Stelle noch zu erwähnen, die beiden ergänzen sich nicht nur musikalisch, sondern es ist eben durch ihre Unterschiedlichkeit möglich, während des Programms sehr sehr unterschiedliche Gefühle zu durchleben. Mal melancholisch und dann wieder sehr sehr beschwingt. Oben und unten, jung und alt, traurig und fröhlich, Regen und Sonnenschein. Wie unser Sonntag, wie das Leben eben! Und das Leben ist schön!
Fragment
sollte unbedingt noch erwähnt werden, ein Text und eine Musik inspiriert von einem Buch über einen zum Tode verurteilten Partisanen, der einen Brief an seine Tochter schrieb. Und das obwohl er Analphabet war. Natürlich trägt Pier Paolo die Texte in seiner Muttersprache vor und wir alle verstehen nun mal kein italienisch. Aber die Einführung und die Stimmung der Musik lassen fühlen, dass es durchaus interessant wäre, sich seine Texte übersetzen zu lassen, um sie im Ganzen zu lesen. Vielleicht kann er uns sie ja mal zuschicken!?
Otono
also „Herbst“ aus der Feder von Lutz schloss sich nahtlos an und wir waren nun auch im Herbst der Veranstaltung angekommen. Der Onkel mit der Laterne Tobias hielt wieder eine launige Rede zur Erklärung unseres Konzeptes für diejenigen im Publikum, welche erstmals bei uns waren. Und unser Applausometer zeigte an, entweder sind einige im Publikum sehr vergesslich, oder es waren wirklich einige neu bei uns. TOLL…kommt gerne wieder!
Als Geldsammelkinder war heute die „Next Generation“ am Start, weil ja Anna und Wilma in den Ferien sind. Sofia und Frida, ihr habt das wieder toll gemacht. Und die kleine Frida ließ sich nicht mal von einem kurz zuvor erfolgten Bienenstich davon abhalten, mit ihrer Schwester gemeinsam zu sammeln. DANKE ihr beiden kleinen Großen!
Du bist alles
beschloss dann das Set von PIPPO MILLER. Ein wunderbarer Song von „Woods of Birnam“. Wer diese Band nicht kennt, sollte mal unbedingt reinhören. Es lohnt sich!
Gelohnt hat sich auch dieser windige, windstille, laute, leise, regnerische und sonnige Sonntag mit PIPPO MILLER, die dann noch ein paar energisch eingeforderte Zugaben draufpackten. Danke Lutz, danke Pier Paolo, für diese musikalische Reise. Wir sehen uns bestimmt wieder.
Der Tag klang nach dem Aufräumen, wie gewohnt, mit dem in der Sonne sitzenden Team aus. Auch diesen Sonntag zog sich das wieder bis in den frühen Abend.
Einfach schön unsere Sonntage. Nein, sie sind nicht alles, um auf den Song zurückzukommen. Aber sie bedeuten sehr viel in unserem Leben!
Gez. Plisch
Sonntag sehen wir uns wieder bei: https://kunsthofkoepenick.eu/veranstaltungen/apres-church-auf-dem-kunsthofkoepenick-schumann-jazztrio/
Après Church, die nachbarschaftliche verbindende Veranstaltungsreihe zum Erleben von Kultur bei Kaffee, Wein, Bier oder alkoholfreien Getränken.
Jeden Sonntag 11.30Uhr bis 13.00Uhr auf dem KunstHofKöpenick.
HÖRT IHR DIE GLOCKEN, MACHT EUCH AUF DIE SOCKEN!
Alt Köpenick 12. Einlass jeden Sonntag ab 11Uhr – EINTRITT FREI –
Alle Konzertberichte des Jahres zum Nachlesen findet ihr auf unserer Website unter dem Reiter APRÈS CHURCH – Alle Konzertberichte
https://kunsthofkoepenick.eu/category/allgemein/
Fotos: Dietmar Marquardt, Norbert Milzow und Ronny Pabst